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Hölderlin Lesen Nr.2 :

Hölderlin Lesen Nr.2 : Hans Zender

Titel / Title: Hölderlin Lesen II
Untertitel / Subtitle:
Ausgaben-Titel:
Kurzbesetzung: Spr,Va,Elektr
Besetzung (ausführlich):
Besetzung / Instrumentation:Viola und 1 anderes Instr.
Erscheinungsdatum / Date of Production: 1987
Dauer / Duration: 25'
Epoche: Musik (nach 1945) / Neue Musik (nach 2000)
Gattung:
Produkttyp / Product: Noten
Produkttyp / Product: Spielpartitur
Ausgaben Besetzung:
Herausgeber:
Sprache / Language:
Bindung: geheftet
Format: 29 x 41,5 cm / 11.5 x 16.5 in

Uraufführung: Stuttgart, 15. November 1987


[DE]
Friedrich Hölderlin (aus „Hymnische Entwürfe“) Sonst nämlich, Vater Zeus Denn Jetzt aber hast du Gefunden anderen Rat Darum geht schröcklich über Der Erde Diana Die Jägerin und zornig erhebt Unendlicher Deutung voll Sein Antlitz über uns Der Herr. Indes das Meer seufzt, wenn Er kommt O war es möglich, Zu schonen mein Vaterland Doch allzu scheu nicht. Es würde lieber sei Unschicklich und gehe, mit der Erinnys, fort Mein Leben. Denn über der Erde wandeln Gewaltige Mächte, Und es ergreifet ihr Schicksal Den, der es leidet und zusieht, Und ergreift den Völkern das Herz. Denn alles fassen muss Ein Halbgott oder ein Mensch, dem Leiden nach, Indem er höret, allein, oder selber Verwandelt wird, fernahnend die Rosse des Herrn. In den alten Kulturen war das, was wir heute „Musik“ und „Dichtung“ nennen, eine Einheit. Denken wir nur an die lotrijgn<’ [musiké] der Griechen, oder an Beschreibungen, die wir in den klassischen chinesischen Schriften finden. Aber natürlich: Kulturgeschichte ist ein Differenzierungsprozess, und so finden wir zur Zeit unserer europäischen Klassiker den Vorstoß der Musik zu ihrer „Autonomie“ - ihrer offiziellen Scheidung von dem Metier der Dichter. (Noch 1739 hatte Mattheson in seinem Vollkommenen Capellmeister von jedem Musiker „Gewandtheit in der Dicht-Kunst“ und genaueste Kenntnis der Verslehre verlangt.) Seit dieser Scheidung sind nun die Musiker sehr eifrig damit beschäftigt, eine autonome Grammatik und Syntax der „Tonkunst“, wie die Musik jetzt genannt wird, zu entwickeln, während in der Dichtung - besonders natürlich in der experimentellen, von Jean Paul und Mallarmé bis zu Joyce und Celan - gerade das „Musikalische“ in der Poesie gesucht wird. Hierunter ist oft der Wunsch verborgen, die Verhärtung, welche die Wortsprache durch ihre begriffliche Fixierung – extrem in der Wissenschaft! – erfährt, wieder aufzuheben und sie in einen „musikalischen“ Zustand von Unbestimmtheit, von Offenheit zurück zu versetzen. Oberflächlich betrachtet entwickeln sich die beiden Künste in der Moderne also auseinander; eine Berührung zwischen ihnen wird immer schwieriger. Zu groß die Gefahr, dass die mühsam errungene Autonomie der einen wieder der Übermacht der andern geopfert wird! Entweder wird die Musik, wenn sie schwach ist, zu bloßer Illustration und Stimmungskulisse; oder sie verschlingt in ihrer klanglichen und zeitlichen Ausformung den eigenen Klang und Rhythmus der Dichtung. Manche Musiker haben in den letzten Jahrzehnten dieses Problem noch verinnerlicht und eine Art Bilderverbot auch innerhalb der Musik aufgestellt: Gestik, Expressivität, Assoziationsfähigkeit der musikalischen Strukturen wurden unterdrückt. Ich halte das für ein neurotisches Verhalten und außerdem für irreführend. Es gibt schon seit jeher auch eine musikalische Semantik – das vergessen manche vor lauter Syntax und Grammatik; und es ist kein Grund einzusehen, warum in der Situation der Autonomie nicht musikalische und sprachliche Semantik in eine neue Art von Verhältnis treten könnten. In der Bach-Kantate, im Schubert-Lied, in der Wagnerischen Leitmotivik waren das 1:1-Lösungen; aber schon Wagner hat gezeigt, dass man diese Identität auch dialektisch aufsprengen kann. Und wie erst in der Vielsprachigkeit der heutigen Moderne! In meiner Oper Stephen Climax habe ich den Hauptpersonen des Ulysses von James Joyce bestimmte – historisch ortbare – Musiksprachen zugeteilt (welche jeweils wieder bestimmte intervallische und rhythmische Struktureigenschaften zeigen, welche ihrerseits wieder seriell oder statistisch geordnet sind - es geht bis ins kleinste Detail ganz „autonom“ zu!!); der Kosmos unserer europäischen Musikgeschichte wird sowohl dem Kosmos der Joyceschen Figuren (ihrerseits „geschichtsträchtig“!) wie auch dem aktuellen musikalischen Bewusstsein zugeordnet, aber eben oft auch über Kreuz, paradox, mehrschichtig, mehrdeutig ... Die Tatsache, dass diese spezifische Möglichkeit einer neuartigen Einheit von Sprache und Musik von den berufenen Musikologen noch kaum bemerkt worden ist, zeigt nicht nur deren Langsamkeit, sondern auch die Dominanz des „bildlosen Denkens“ in der – jetzt abgelaufenen – Phase der Neuen Musik. In meinen Hölderlin lesen-Stücken ging es mir darum, Wege zu finden, die gewaltigen Sprachstrukturen Hölderlins so in die zeitliche Form der Musik zu integrieren, dass sie Funktionen der musikalischen Form übernehmen, ohne in ihrer Eigenkraft (sowohl akustisch wie auch im Sinne expressiver „Deutung“) im geringsten geschmälert zu werden. Das hieß zunächst: Sprechen, nicht singen! – Aber das würde nur bedeuten, dass es nicht um die Musikalisierung von Text geht; ebenso wichtig ist es, dass es auch nicht um melodramatisch „erzählende“ Musik geht. Sondern: Zwei autonome Künste durchdringen sich auf diaphane Weise, ohne sich zu überformen oder auszulöschen; es handelt sich um einen Dialog, nicht um eine Vereinnahmung durch Hierarchisierung. Ein weiteres Thema, das in der musikalischen Diskussion der letzten Jahrzehnte zu kurz gekommen ist und deswegen jetzt neu am Horizont erscheint, ist die Rhetorik. Inwieweit kann musikalische Form nicht nur logisch bzw. syntaktisch, sondern auch rhetorisch verstanden werden? Rhetorik und Satztechnik z.B. hängen zusammen. Ich kann diese Problematik (die ich in meinem vierteiligen, abendfüllenden Shir Hashirim „auskomponiert“ habe) hier nur andeuten. Musik steht zwischen Zahl und Wort; sie hat an beidem teil. So konnte sie das Zentrum der „Sieben Freien Künste“ in alten Zeiten bilden ... (Heinrich Schütz sagte, dass sie zu diesen – also zu den mathematisch-astronomischen und den literarischen Künsten – wie die „Sonne zu den Planeten“ sich verhalte.) Mir scheint, dass wir die Komposition seit 50 Jahren zu einseitig nur von der Zahl her definieren; sie hat geschichtlich ebenso viel mit Sprachstruktur zu tun. Wir können Neuland gewinnen, wenn wir als heutige Musiker dies neu durchdenken. (Hans Zender) CDs: Eckart Schloifer (Viola) CD Intersound ISPV 163 Garth Knox (Viola) CD Montaigne MO 782094 Bibliografie : Enge, Havard: Music Reading Poetry. Hans Zender’s Musical Reception of Hölderlin, Diss. University of Oslo 2010 . Zender , Hans: Zu meinem Zyklus „Hölderlin lesen“, in: Mnemosyne. Zeit und Gedächtnis in der europäischen Musik des ausgehenden 20. Jahrhunderts, hrsg. von Dorothea Redepenning und Joachim Steinheuer, Saarbrücken: Pfau 2006, S. 26-40.



Titel / Title: Hölderlin Lesen II
Herausgeber / Publisher: Breitkopf und Härtel
Instrumentation: Spr,Va,Elektr.
Produkttyp / Product: Buch
Produkttyp / Product: Buch
ISMN: 9790004571491
000
für Sprecher, Viola und Elektronik
Partitur
SOLOGESANG (INCL. MEHR. SOLOSTIMMEN
EINE SINGSTIMME
MIT STREICHINSTRUMENT
38,50 €
inc. tax
plus shipping
Availability *
available in 7 days
Product information
Order id: 417218
Difficulty: -
Duration: --:-- min
Pages: 20
publisher id: Breitkopf SMV 61001
EAN: 9790004571491
Composer: Hans Zender
Arranger: -
Publisher: Breitkopf & Härtel KG
Instrumentation: Kammermusik / Ensemble

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